Die Wahlbeteiligung lag bei 40.4 Prozent, kaum mehr als 2018 (37.6
Prozent). Stichwahlen ziehen meist noch weniger Menschen an die
Wahlurnen. Das muss diesmal aber nicht so sein, da es ein engeres Rennen
als 2018 geben dürfte.
Während sie in kleineren hessischen Städten von Unabhängigen stark
herausgefordert werden, dominieren die Bewerber der Parteien weiterhin
in den hessischen Großstädten, auch in Frankfurt. Die Bewerber der
Parteien, die auch im Bundestag vertreten sind, haben diesmal 88,4% der
Stimmen auf sich vereinigt. Immer noch viel, aber so wenig wie noch nie,
auch weil Einzelbewerber wie Peter Wirth alias Bahnbabo sehr gut für
sich mobilisieren konnten.
Das Violinendiagramm, inspiriert vom Tagesspiegel, zeigt die Verteilung der Stimmenanteile über alle 575 Präsenz- und Briefwahlbezirke. Je gedrungener die Violine einer Partei, desto stärker ähneln sich ihre Stimmenanteile in den Wahlbezirken. Dies ist z. B. bei Yanki Pürsün (FDP) der Fall, der in den meisten Wahlbezirken um die 2,7% Stimmen erreicht hat (das ist der Mittelwert über alle Stimmbezirke hinweg). Je langgezogener die Violine, desto stärker unterscheidet sich die Wählerunterstützung zwischen Wahlbezirken. Bei Uwe Becker (CDU) fällt dies besonders stark ins Auge, sein schwächster Wahlbezirk beschert ihm nur 11 Prozent, während er anderso über 66 Prozent einsammeln kann. Auch bei Mike Josef (SPD) und Manuela Rottmann (Grüne) streut die Unterstützung recht stark.
Die Violinenplots zeigen eine verstreute Unterstützung für Uwe Becker (CDU), Mike Josef (SPD) und Manuela Rottmann (Grüne). Diese Streuung hängt zudem zusammen, was auf eine räumliche Polarisierung Frankfurts hinweist. Einige Nachbarschaften neigen stark Grünen oder SPD zu, lehnen dafür aber die CDU ab und umgekehrt. Die Abbildungen zeigen, dass Uwe Becker (CDU) dort viele Stimmen bekommt, wo Mike Josef (SPD) und Manuela Rottmann (Grüne) schwach sind. Freilich gibt es auch viele Nachbarschaften, bei denen die Zuneigung gemischt ist. Über SPD und Grüne bzw. CDU und FDP sind die Stimmbezirke aber weniger gespalten.
Beim Bürgerentscheid zur Abwahl von Peter Feldmann (SPD) im November 2022 ließ sich ein recht starker Zusammenhang zwischen dem Stimmenanteil Feldmanns 2018 und der Zustimmung zu seiner Abwahl beobachten. Die Streudiagramme kreuzen in allen 575 Stimmbezirken die Zustimmung zur Abwahl Feldmanns und den Stimmenanteilen der Parteien in 2018 bzw. 2023.
Bei der OB-Wahl 2023 zeigt sich, dass Mike Josef (SPD) dort etwas stärker abschneidet, wo besonders viele Menschen Feldmann abwählen wollten. Allerdings ist der Zusammenhang deutlich schwächer als noch 2018.
Es ist ein beunruhigender wie regelmässiger Befund, dass Menschen seltener wählen gehen, wenn sie wenig verdienen, schlechter ausgebildet sind und eine geringere Lebens- und Wohnqualität haben. Diesen Zusammenhang kann man bei der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl für die Stadtteile beleuchten, da für diese Ebene Sozialdaten (Stand 2021) vorliegen. Auch hier zeigt sich, dass die Wahlbeteiligung bei der Oberbürgermeisterwahl deutlich mit verschiedenen Indikatoren sozialer Lagen korreliert ist. Seltener gewählt wurde in Stadtteilen mit geringerem Medianeinkommen, höherem Ausländeranteil (was freilich nicht stigmatisierend sondern mit Blick auf erfolgreiche Integration interpretiert werden sollte), geringerer Wohnfläche pro Kopf, einem niedrigerem Anteil von Gymnasialschülern und einer höheren Arbeitslosendichte. Die Unterschiede sind gravierend: Während in Fechenheim und Sossenheim knapp nur jeder Vierte Wahlberechtigte von seinem Stimmrecht Gebrauch machte, waren es in Harheim und Niedererlenbach über 60 Prozent.
Anmerkung: Anmerkung: Daten für 46 Stadtteile. Wahlbeteiligung wurde berechnet für alle Präsenzwahlbezirke unter der Annahme das alle, die Briefwahl beantragt hatten, diese auch durchgeführt haben.
Dieser für die Demokratie problematische Zusammenhang wird bei direktdemokratischen Abstimmungen oder Wahlsystemen mit Personenwahlkomponenten übrigens eher stärker, so dass diese Instrumente offensichtlich wenig gegen die Beteiligungskrise ausrichten. Besonders problematisch: Die sozial Beteiligungslücke ist bei Erstwählerinnen und Erstwählern seit den 1980ern immer größer geworden