VOTO - der Wahlkompass zur Frankfurter Oberbürgermeisterwahl

Noch nie gab es so viele Kandidaten bei einer Frankfurter Oberbürgermeisterwahl wie in diesem Jahr. Insgesamt 20 Personen bewarben sich um die Stimmen der 512,306 Wahlberechtigten in Frankfurt. Zum inhaltlichen Angebot der einzelnen Kandidierenden bot der Wahlkompass VOTO eine schnelle Orientierung. Wie der bekannte Wahl-O-Mat ist VOTO eine Online-Wahlhilfe. Anhand von 31 Thesen konnten sich die Nutzer mit allen Kandidierenden vergleichen und erfahren, wem sie inhaltlich am nächsten stehen. VOTO ist weiterhin verfügbar und nun auf die beiden Teilnehmer der Stichwahl, Uwe Becker (CDU) und Mike Josef (SPD), reduziert.

Auswertung der Nutzungsdaten

VOTO gibt nicht nur den Nutzern interessante Einsichten. Auch wir können mit den anonymen Daten interessante Einblicke in die Interessenlage in der Mainmetropole gewinnen. Freilich sind die Daten nicht repräsentativ. VOTO wurde nicht zufällig genutzt und ist entsprechend keine Zufallsstichprobe, so wie dies bei Wahlumfragen angestrebt wird. Wahlhilfen werden eher von Menschen konsultiert, die politisch überdurchschnittlich interessiert sind und sich in weiteren Merkmalen (Bildung, Alter, Parteipräferenz) abheben. Dies sind indes auch die Menschen, die überdurchschnittlich häufig zu Wahl gehen. VOTO wurde zwischen Veröffentlichung (u.a. bei der FAZ) und Wahltag insgesamt 27,000 Mal genutzt, das sind immerhin knapp 5 Prozent der Wahlberechtigten oder 13 Prozent der Wahlteilnehmer (wenn man davon ausgeht, dass VOTO nicht allzuhäufig doppelt und dreifach genutzt wurde). Insgesamt 2210 Mal wurde zusätzlich der freiwillige Survey ausgefüllt.

Die Nutzungshäufigkeit von VOTO hat eine typische U-Form. Die Veröffentlichung brachte eine erste Spitze in den Nutzungszahlen, bevor die Nutzungen in den Wochen zur Wahl etwas niedriger blieben. Kurz vor der Wahl zeigt sich ein deutlicher Anstieg. Offensichtlich wollten viele noch die Wahlhilfe konsultieren, bevor sie in die Wahlkabine verschwinden. Am Wahltag wurden 5389 Nutzungen registriert.

Besonders häufig wurde VOTO von Bewohnern der Innenstadt befragt.

VOTO wurde etwas häufiger von Männern als von Frauen genutzt. Das Durchschnittsalter der Nutzer betrug 48 Jahre. VOTO wurde über alle Altersgruppen genutzt, besonders häufig bei den 50 bis 60-jährigen.

Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen gehen nicht nur häufiger wählen, sie sind auch häufiger politisch interessiert und engagiert und nutzen somit auch häufiger Tools wie den Wahl-O-Mat oder VOTO. VOTO Frankfurt war hier offensichtlich keine Ausnahme. Ursächlich ist, dass sich höhere Bildungsressourcen und ein damit meist einhergehendes höheres Einkommen in größere politische Partizipation übersetzen. Dieser für die Demokratie sehr problematische Zusammenhang fand sich auch im ersten Wahlgang der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl bestätigt.

In der Umfrage baten wir die Nutzer uns zu verraten, wem sie am 5.3. ihre Stimme geben wollen. Hier kontrastieren wir das fiktive Wahlergebnis aus VOTO mit dem tatsächlichen Wahlergebnis. Dabei zeigt sich, dass Uwe Becker (CDU) auch bei den VOTO-Nutzern am besten abschneidet, allerdings nicht so deutlich wie bei der tatsächlichen Wahl. Auch der Stimmenanteil von Mike Josef wird in VOTO leicht unterschätzt, der von Manuela Rottmann dagegen leicht überschätzt. Der Bahnbabo Peter Wirth hat in VOTO mit 7,1 Prozent etwas besser abgeschnitten, was eventuell darauf hinweist, dass Wahlhilfen gern von internetaffinen Menschen genutzt werden, die möglicherweise auch den einen oder anderen Spagat des Bahnbabos auf twitter gesehen haben.

Wir wollten auch von den Nutzern wissen, wie sie sich zur Abwahl Feldmanns im November 2022 verhalten haben. Die Anhänger der verschiedenen Kandidaten hatten, laut eigener Auskunft, die Abwahl Feldmanns mehrheitlich unterstützt. Besonders deutlich ist dies bei den Wählern von Uwe Becker der Fall. Aber auch 75 Prozent der Unterstützer von Mike Josef gaben an, für die Abwahl Feldmanns abgestimmt zu haben. Bei Wählern der LINKEN und der AfD ist die Ablehnung geringer, sie sind auch häufiger nicht zur Abwahl gegangen.

Welche Themen treiben die Frankfurter um?

In der Umfrage konnten die Nutzer eintragen, was aus ihrer Sicht das größte Problem Frankfurts sei. In der Wortwolke sind ihre Antworten zusammengefasst. Die Größe der Buchstaben eines Wortes repräsentiert dabei seine relative Häufigkeit. Wohnen, Verkehr und Kriminalität sind demnach die Themen, die den Frankfurtern besonders unter den Nägeln brennen.

Dieses Bild bestätigt sich, wenn wir auf die Doppeltgewichtungen der Thesen schauen. In VOTO konnten die Nutzer Thesen als besonders wichtig markieren. Die Abbildung zeigt, wie häufig Thesen in einem Politikfeld doppelt gewichtet wurden. Verkehr und Wohnen stehen hier wieder an der Spitze.

In der Karte ist dargestellt, wie unterschiedlich die Wichtigkeit einzelner Thesen in unterschiedlichen Stadtteilen bewertet wird. In die Karte kann hineingezoomt werden und im Sandwichmenue (oben rechts) können einzelne Politikfelder betrachtet werden. Freilich muss hier beachtet werden, dass die Fallzahlen der Doppeltgewichtungen insgesamt recht gering sind.

Schließlich können wir uns auch für einzelne Thesen ansehen, wie die Meinungen der Bürger dazu verteilt sind. Viel Dunkelrot bedeutet viel starke Ablehnung und viel Dunkelgrün starke Zustimmung zu den einzelnen Thesen (die vollständig angezeigt werden, wenn man mit der Maus über die Balken fährt). Besonders stark lehnten die Nutzer:innen die These über die gendergerechte Sprache in den offiziellen Dokumenten Frankfurts ab. Breite Zustimmung war dagegen zum Waffenverbot am Bahnhofsviertel und zur Ausweitung des kommunalen Wohnungsbesitzes zu verzeichnen.

Die Abbildung gibt auch Aufschluß über die Polarisierung bei den Themen. Je mehr Dunkelrot Dunkelgrün gegenübersteht, desto stärker aber gegensätzlicher sind die Ansichten der Nutzer zu einer einzelnen These. Aus dieser Perspektive erweisen sich die Senkung des Wahlalters und die Verkehrswende-Themen (autofreie Zonen, Infrastruktur für Radverkehr und Tempo-30) als besonders polarisierend.

Wie hilfreich war VOTO bei der Entscheidungsfindung?

Wie hilfreich ist denn nun so eine Wahlhilfe beim Treffen der Wahlentscheidung? Dies haben wir die Nutzer gefragt. Bei den Nutzern - und das haben wir nicht anders erwartet - überwiegt der Eindruck, dass VOTO hilfreich war. Interessant ist, dass vor allem Unentschlossene dem spielerischen Zugang zur Stadtpolitik etwas abgewinnen können. Besorgte Politikstrategen seien aber beruhigt: Wahlen werden nicht durch Wahlhilfen entschieden. Effekte auf Wahlentscheidungen sind sehr klein, wenn sie überhaupt vorhanden sind. Wahlhilfen wirken nachweislich positiv auf das politische Wissen der Nutzer und das ist ein Effekt, von dem nicht einzelne Parteien sondern die gesamte Demokratie profitiert.

Die obige Abbildung wirft eine weitere Perspektive auf Zustimmung und Polarisierung. Liegt der Punkt links der “0” wurde der These häufiger zugestimmt. Je breiter die Strecke durch den Punkt (die Standardabweichung) ist, desto uneiniger waren sich die Nutzerinnen und Nutzer.


Autoren: Thilo Dieing, B.A., Andreas Küpfer, M.Sc. & Prof. Dr. Christian Stecker TU Darmstadt, Institut für Politikwissenschaft